Guten Tag sehr geehrte Damen und Herren,
es ist mir eine große Ehre und Freude, Sie mit zu Geheimnisvollen Orten im Odenwald nehmen zu dürfen.
Ursprünglich ist der heute zu haltende Vortrag eine Führung – allerdings querfeldein und über Stock und Stein. Aus Rücksicht auf Sie, liebe Gäste, haben die Eheleute Schäfer entschieden, die Abenteuer-Führung im Sitzen abzuhalten und die Geheimnisvollen Orte zu Ihnen zu bringen.
Die Route, die wir heute gemeinsam gehen ist analog zur Führung angelegt, die von den Mutigen unter Ihnen in genau einer Woche im Feldversuch beschritten werden wird.
Hier der Überblick:
Wir starten im ehemaligen Wildschweingehege zwischen Würzberg und Hesselbach, kurz vor dem Ausgang in Richtung Hesselbach am Standort des römischen Wachpostens 10/30. Dieser Wachposten war nicht Teil der Führung, die viele von Ihnen vor 2 Jahren entlang des Limes mit Familie Schäfer und mir gemacht haben, deshalb wird er jetzt mit hineingepackt – vor allem aber, weil er genau am Startpunkt liegt.
Vom Wachposten 10/30 geht es dann auf die andere Seite des Weges hinunter in das Bachbett des Breitenbachs. Dort hat der kleine Bach eine Felsenmeerähnliche Landschaft geschaffen, deren Sandsteinmonolithe im Mittelalter das Rohmaterial für eines der erfolgreichsten Exportprodukte des Odenwaldes darstellte: die Odenwälder Trapezsärge – und mindestens ein Sarg liegt gut sichtbar für Sie bereit.
Direkt neben dem Trapezsarg befindet sich eine alte Köhlerplatte – Grund genug für uns, sich dieses Thema genauer anzuschauen.
Von der Köhlerplatte aus geht es ca. 250 m nach Norden zu einem besonderen Lagestein, dem sogenannten „Breite Stein“. Hierbei handelt es sich um einen Findling, der als Grenzstein genutzt wurde.
Ausgehend von dem Breite Stein steht 200 m in östlicher Richtung ein weiterer Grenzstein. Diesmal aus dem Jahr 1481 mit dem Würzburger Abtsstab darauf. Das Grenzgebiet, in dem wir uns bewegen, ist älter als der Odenwald und äußerst geschichtsträchtig.
Den Grenzstein hinter uns lassend führt der Wanderweg 9 uns über ca. 1200 m um den unteren der beiden Seen herum auf den Steg, der den oberen vom unteren See trennt. An dieser Stelle befinden wir uns dann exakt an der gleichen Stelle, die einst für Wolfram von Eschenbach Ausgangspunkt für eine der wichtigsten Passagen in seinem wohl berühmtesten Werk darstellte: an dieser Stelle ließ er seinen Protagonisten Parzival den Gralskönig Anfortas zum ersten Mal treffen.
Von den „Drei Seen“ gehen wir dann gemütlich wieder zurück zum Ausgangspunkt.
Wir werden in einem Areal von gerademal 1,6 km2 Spuren römischer, karolingischer, hochmittelalterlicher und frühneuzeitlicher Geschichte finden.
Und nun lassen Sie uns die Tour beginnen.
http://www.roemer-in-deutschland.info/ODENWALD/10-30.HTML
Die Autos sind geparkt, die Schuhe geschnürt, es geht los am WP 10/30.
Für alle diejenigen, die vor zwei Jahren auf unserer Limestour dabei waren, ist das Thema hinreichend bekannt. Trotzdem hier eine kurze Auffrischung.
Wir befinden uns auf dem Höhenzug bei Würzberg direkt an der Grenze des Römischen Reiches, genauer der Provinz Germania Superior zu Magna Germania – zumindest bis 158 n. C. ist das der Status Quo.
Begonnen wurde das Projekt Provinz Germania bereits von Kaiser Augustus, aber erst unter Kaiser Domitian wurde die Provinz Germania Superior im Jahr 90 n. C. gegründet. Auch die Erfindung des Limes geht auf ihn zurück. Um den Widerstand der Chatten zu brechen, ließ er von der Wetterau ausgehend den Wald über 180 km Länge ca. 400 m breit fällen. Diese Schneise war der Limes – das Wort Limes heißt im Ursprung nichts anderes als Schneise. Alle 500-800 m wurde ein Wachturm hingestellt und alle 5-7 km ein Kastell – fertig war die römische Grenzanlage.
Der Odenwaldlimes entstand zwischen 110-117 unter Kaiser Trajan, der den Trampelpfad, die Wachposten und die ersten Holz-Erde-Kastelle errichten ließ.
Unter dem nächsten Kaiser Hadrian 117 – 138 wurde die Palisade gebaut und der Postenweg ausgebaut.
Schließlich folgte unter Kaiser Antoninus Pius 138 – 161 der Ausbau der Wachposten und der Kastelle in Stein bis mindestens 155. Unter ihm wurde auch der Limes schließlich 30 km nach Osten verlegt und der Odenwaldlimes aufgegeben – das geschah zwischen 158 – 160.
Die Rekonstruktionen der Holzwachtürme gehen im wesentlichen auf eine einzige Bildquelle zurück: die Trajanssäule in Rom. Der Wachtturm, der hier zu sehen ist, sieht aus wie ein steinturm, wird aber als Holzturm gedeutet, weil er aus trajanischer Zeit stammen muss (weil auf der Trajanssäule). D.h. wir haben keine verlässlichen Bildquellen für die Steintürme und passen diese nur den Holztürmen an. Dargestellt ist hier der Turm am Donaulimes und diese Darstellung wird auf alle Türme übertragen. Aber mittlerweile wissen wir, dass die Türme sehr unterschiedlich aussahen und dass die Rekonstruktionen nur Annahmen von Möglichkeiten sind.
Der Odenwaldlimes ist heute kein Unesco-Welterbe und wird es auch nie werden, da man sich bei der deutschen Limeskommission darauf einigte, dass nur eine Limeslinie Unesco gelistet wird, und das war der vordere Limes. Unser Limes ist jedoch archäologisch besser erhalten, besser dokumentiert und stellt historisch die Grundlage der vorderen Limeslinie dar.
Auf dem Abschnitt 10, Odenwaldlimes finden sich auf 80 km Länge zwischen Obernburg und Bad Wimpfen 81 Wachposten und ca. 20 Kastelle. Ein Wachposten an dieser Strecke ist der WP 10/30, „In den Vogelbaumhecken.
Die erste Rekonstruktion dieser Turmstelle ist der Holzturm der zweiten Ausbauphase mit Steinsockel.
Der Turm hat eine Seitenlänge von 5,25 m bei einer Mauerstärke von 65 cm.
Der Steinsockel hier wurde mit Holzbalkengitter ausgeführt, wie wir es von Vielbrunn, WP 10-15 kennen. Dieser Sockeltypus ist auch an anderen Wachposten-Fundstellen so bestätigt. Allerdings ist das an gerade dieser Stelle nicht zutreffend.
Der Steinsockel des Holzturms 10/30 besaß kein Gitter aus Baumstämmen. Dafür hatte er nur zwei Mauerschlitze. Im Inneren wurde mit einer Trockenmauer von 90 cm Stärke eine Unterteilung vorgenommen, durch die zwei ungleich große Räume entstanden. Die Mauer im westlichen Bereich war zusätzlich auf eine Stärke von 1,20 m verstärkt worden. Vielleicht sehen wir hier bereits den Prototyp des Unterbaus, wie er an den Steintürmen serienmäßig durchgeführt wurde und das Erdgeschoss als Lagerraum genutzt wurde.
Der Holzturm war von einem Graben mit einem Durchmesser von ca. 20 m umgeben.
Ein paar Meter weiter befindet sich zum Teil wieder aufgebaute Steinturm mit einer Seitenlänge von 4,80 m, der der besterhaltene Steinturm der ganzen Strecke und im Original noch 5 Lagen hoch erhalten war.
Den Wiederaufbau, den wir heute sehen können, verdanken wir dem Rotary Club Erbach-Michelstadt. 1979 haben sie unter Anleitung des Landesamtes für Denkmalpflege und mit Spendengeldern den Turm mit Originalsteinen rekonstruiert.
Horst Kalbfleisch war hier sehr aktiv – und er hat auch das Geheimnis der Anlage gelüftet: Bei den Arbeiten wurde nämlich eine Bierflasche gefunden, womit bewiesen wurde, dass es sich hierbei nicht um eine militärische Einrichtung, sondern um eine römische Brauerei oder eine Vertriebsstelle für Bier handelte.
Auf der Nordseite des Steinturms ist die Mauer am niedrigsten und dort versuchen immer wieder Menschen, in den Turm hinein zu schauen, wozu sie sich mit den Holzstämmen hier eine Steighilfe bauen. Damit sie da nicht hinaufklettern müssen, hat mein Mann das für sie getan – hier nun die Bilder aus dem Inneren des Turms…
Auf der Ostseite des Turms ist diese Steintafel eingebaut, die im Schutt dieser Seite gefunden worden war. Die Inschrift war leider nur aufgemalt und verschwand im Laufe der Zeit. Sie ist nicht mehr rekonstruierbar. Deshalb wissen wir leider nicht genau, welche Truppen an diesem WP stationiert waren.
Das Mauerwerk war verputzt und mit roten Fugenlinien bemalt, wodurch der Eindruck eines sehr regelmäßigen Mauerwerkes entstand. Dieses sogenannte Sichtmauerwerk wurde 600 Jahre später wieder aufgegriffen, als in der Zeit der karolingischen Renaissance das karolingische Sichtmauerwerk technisch gesehen ganz identisch ausgeführt wurde – Beispiel hierfür ist die Einhardsbasilika in Steinbach.
Der Steinturm könnte ungefähr so ausgesehen haben: Im Erdgeschoss der Lagerraum, im 1. Stock die Unterkunft und im 2. Stock die Wachstube mit Ausblick und Signaleinrichtung.
Beide Turmstellen waren sehr wahrscheinlich von einem Zaun umgeben.
Wenn wir vom Steinturm 30 Meter nach Osten gehen, stehen wir direkt vor der Palisade, die hier in einem Teilstück rekonstruiert wurde. Etwa 10 m dahinter verlief der Limesbegleitweg, oder Postenweg, der an dieser Stelle ca. 7,5 – 9 m breit war. Das, was heute im Gelände und auf den Lidarscans noch zu sehen ist, ist der Palisadengraben. Dieser war ca. 1,40 m tief und ca. 1 m breit. Die 25 – 30 cm dicken Baumstämme wurden darin mit Keilsteinen verkeilt und bereits unterhalb der Grasnarbe mit einem Brett verbunden, so dass nie ein einzelner Stamm herausgezogen werden konnte.
Dies ist übrigens die erste Stelle am gesamten Odenwaldlimes, an der die Palisade nachgewiesen und untersucht wurde.
Mit den beiden Turmrekonstruktionen und dem Stück der rekonstruierten Limespalisade zählt diese Anlage zu den am besten erhaltenen des Odenwaldlimes. [1]
Zum Abschluss des Themas ein kurzer Blick auf den Lidar-Scan – hier sieht man den Wachposten 10/30 mit seinen beiden Holztürmen und dem Steinturm – auf allen Plänen der Reichslimeskommission ist immer nur ein Holzturm eingezeichnet, denn die zweite Holzturmstelle ist vom Boden aus nicht zu erkennen.
Lassen wir nun die Römer hinter uns. Der Pfad führt uns durch Heidelbeersträucher zurück zur Straße, die wir überqueren.
Auf der anderen Seite gehen wir den Waldweg hinunter bis zum Bachbett des Breitenbachs. Wir befinden uns nun ca. 1 km unterhalb der sogenannten „Drei Seen“, die faktisch nur noch aus 2 Seen bestehen.
An den Seiten des Bachbetts befindet sich ein Blockmeer, das von dem kleinen Breitenbach durchschnitten wird.
Video Start
Das anstehende Gestein in unserem Teil des Odenwalds ist der Buntsandstein. Dieses Gestein ist sehr anfällig für Erosion und der kleine Breitenbach hat sich im Laufe der Jahrhunderte, ja sogar Jahrtausende, ein tiefes Bachbett gegraben und dabei einzelne Sandstein-Blöcke herausgeformt. Es entstand ein Blockmeer. Hier findet man mitten im Wald diesen steinernen Sarkophag, der an dieser Stelle schon lange zu liegen scheint.
Video Ende
Dabei handelt es sich nicht um einen Hinweis auf eine alte Grabstätte, sondern um eine Werkstätte der Steinmetze. An dieser Stelle am Breitenbach wurden die typischen Odenwälder Trapezsärge gefertigt, die weit über den Odenwald hinaus exportiert wurden. [2]
Der Steinsarg von Breitenbach steht dort auch nicht alleine, er ist nur der am weitesten behauene, bis der Steinmetz feststellte, dass irgendein Fehler im Material den Transport unmöglich machen würde. Dann wurden die Arbeiten an dem entsprechenden Werkstück sofort eingestellt und der halbfertige Sarg blieb einfach liegen.
Man findet in unmittelbarer Nähe schon auf den ersten Blick weitere Rohlinge und auch Reste von Steinen, aus denen die Särge herausgeschnitten wurden.
Ähnliche Steinsärge finden sich im Odenwald noch an vielen Stellen, so z.B. in der Nähe von Buchen im Ortsteil Hettingenbeuern, in Steinbach bei Mudau, auf dem Greinberg in Miltenberg und dem Wannenberg in Bürgstadt, auf dem Schneeberger Kohlwald, in Rippberg und sicher noch an vielen anderen Orten.
Steinsärge wurden nicht in Steinbrüchen gefertigt wurden, sondern wurden aus Findlingen, Einzelsteinen hergestellt, die bereits freistehend oder freiliegend im Wald vorkamen. Deshalb findet man sie häufig in Blockmeeren. [3]
Der Steinsarg vom Breitenbach wurde mit Hilfe der Technik der Keilspaltung hergestellt, die auch schon die Römer kannten. Die Technik blieb, oder besser kam wieder, aber die Form änderte sich. Die besondere Form der Odenwälder Trapezsärge als Exportgut sind bis auf wenige Ausnahmen auf ein Zeitfenster von 1000 bis 1250 datiert.
Anzutreffen sind die Odenwälder Trapezsärge heute in Köln, Frankfurt und vor allem im Kloster Lorsch. Dort befindet sich der sogenannte Siegfriedssarg.
In den Ruf, der Sarg Siegfrieds zu sein, kam der Sarg fälschlicherweise durch einen Hinweis in der Handschrift C der Nibelungen, nach der der Leichnam Siegfrieds nach seiner Überführung in das Kloster Lorsch in „eime langen sarke (C1164,)“ seine letzte Ruhestätte fand. [4] Natürlich hat der Sarg nichts mit Siegfried zu tun, sondern wurde für das Kloster Hagen bei Lorsch vermutlich im 13. Jh. gefertigt. Wenn Siegfried vor der Zerstörung Burgunds 436 bereits tot war, hätte er ca. 800 Jahre auf seinen Sarg warten müssen.
Die Innenseiten des Sarges weisen insgesamt vier lateinische Kreuze auf und sechs Irminsul-Motive auf, die der germanischen Mythologie entstammen, man wollte sich wohl in alle Richtungen absichern.
Ein sehr prägnantes Muster[5], das mit den
Odenwälder Trapezsärgen noch weiter herumgekommen ist:
Der nördlichste Fundort ist Nieblum auf der nordfriesischen Insel Föhr. Dort wurde ein Trapezsarg mit genau den gleichen Sinnbildern wie in Lorsch gefunden (Mittlerweile im Landesmuseum in Gottrop, nachdem er als Viehtränke arg zweckentfremdet worden war).
Gemäß verschiedener geologischer Untersuchungen sind 7 weitere Trapezsärge auf Föhr und ein Sarg auf der Hallig Groede mit dem Odenwälder Buntsandstein identisch und stammen demnach von hier.[6]
Man kann wohl davon ausgehen, dass auch alle bekannten Steinsärge des Odenwaldes aus dem hier anstehenden Sandstein gehauen wurden.[7]
Dazu gehören die zwei rechteckig gearbeiteten Steinsärge vor der Evangelischen Stadtkirche Michelstadt. Sie stammen aus dem 10. oder 11. Jahrhundert.
Wieder weitere wurden auf dem Friedhof der ehemaligen Benediktiner-Abtei Amorbach gefunden – auch hier wie in Michelstadt keine Trapezsärge, sondern schmucklose rechteckige Kisten mit einem Loch im Boden. Einer der Amorbacher Särge liegt heute im Hof bei der Abteikirche, zwei weitere sind im Heimatmuseum aufgestellt.[8]
Die Abtei Amorbach war nicht nur Abnehmer, sondern vermutlich vor allem Produzent und Lieferant, denn von den Produktionsstätten im Odenwald liegen viele auf dem ehemaligen Land der Abtei.
Interessant ist dabei, dass die Verkaufsschlager, die sehr aufwendigen trapezförmigen Steinsärge mit Ornamenten wie der Irminsul, wohl fast ausschließlich für den Export gedacht waren, und in der Abteikirche selbst nur die rechteckigen Särge gefunden wurden. [9].[10]
Alle Trapezsärge, die wir aus dem Odenwald kennen, zeichnen sich durch eine sehr auffällige Dekoration im Inneren der Särge aus.
Das ist an sich schon erstaunlich, denn außen sind die Särge nicht geschmückt. Innen aber sind sie mit 4 Kreuzen und 6 Zeichen geschmückt, die aussehen wie ein Springbrunnen oder eine Palme – oder wie eine stilisierte Irminsul. Gleich vorab – es gibt keine schriftlichen Beweise, was dieses zweite Zeichen genau darstellen soll.
Aber es gibt Hinweise, wie hier zu der christlichen Symbolik etwas anderes, wahrscheinlich heidnisches dazu gegeben wurde und die häufigste Darstellung und größte Ähnlichkeit hat es mit der Irminsul.
Die Irminsul war die die stilistische Darstellung des Weltenbaums der Sachsen, die von Karl dem Großen 772 gefällt wurde, um dem Christentum den Weg zu ebnen.
In der germanischen Mythologie hat sie eine Entsprechung in der Weltenesche Yggdrasil.
Dieses Thema ist sehr heikel, denn wie viele germanische Darstellungen und mythologischen Bilder wurde auch die Irminsul oder die Yggdrasil im 3. Reich gerne missbraucht und leider auch allzu oft in Dinge hineininterpretiert, die nur eine Palme oder einen Springbrunnen darstellten – um das Überlegene des Germanentums nachzuweisen. Vieles davon ist völlig an den Haaren herbeigezogen, aber einige Übereinstimmungen wurde schon früher entdeckt – und man kann sagen dass trotz des Missbrauchs im 3. Reich manche Darstellung eben halt doch aus dem Germanischen entlehnt ist und wie in diesem Fall eine Irminsul darstellt.
Es gibt zahllose Beispiele von christlichen Kirchen, in denen die Irminsul entweder im Chorraum, in der Krypta oder in der Vierung dargestellt ist.
Die Irminsul oder die Weltenesche Yggdrasil stellten den Weltenbaum dar. Die Weltenesche verkörpert in der nordischen Mythologie den ganzen Kosmos. Das ganze Universum wird durch sie dargestellt.
In der Edda läuft die Entstehung der Welt folgendermaßen ab: Nachdem die Götter den Riesen Ymir getötet hatten, wuchs aus seinem Leichnam der erste Baum – die Weltenesche Yggdrasil. Sie hatte drei tiefe Wurzeln, die die Unterwelt darstellen, einen dicken Stamm und Äste, die für die Mittelwelt und die Oberwelt stehen.
In der Oberwelt finden sich die Welten
· Asgard, dem Sitz des Göttergeschlechts der Asen.
· Wanaheim, dem Sitz des Göttergeschlechts der Wanen,
· Ljossalfheim oder Albenheim, dem Sitz der Lichtalben
Darunter sind
· Midgard, die Heimat der Menschen
· Jotunheim, die Heimat der Riesen und Eisriesen
· Muspelheim, die Heimat der Feuerriesen
Und dann schließlich die Unterwelt in den drei Wurzeln der Esche:
· Schwarzalbenheim – die Heimat der Schwarzalben oder Zwerge
· Niflheim: Das Reich des Eises, des Nebels und der Finsternis
· Und schließlich Helheim – das Totenreich.
Die Esche ist die Verbindung zwischen dem Reich der Götter, also dem Himmel, dem Reich der Menschen, der Erde und dem Reich des Todes – der Unterwelt. Sie verbindet das Reich der Lebenden mit dem Reich der Toten – sei es nun der Himmel oder die Hölle.
Damit ist sie die logische Innendekoration für einen Sarg und stellt sozusagen den Fahrplan dar – wie auch immer die Reise ausgehen mag.
Es gibt keinen Beweis dafür, aber vielleicht ist genau diese Doppelabsicherung der Grund für den Erfolg der Odenwälder Trapezsärge und deren weite Verbreitung. Ma weiß ja nie, wer auf der anderen Seite das Sagen hat.
Ungefähr 25 Meter oberhalb der Position des Trapzesarges befindet sich der nächste „Geheimnisvolle Ort“. Dieser kommt allerdings so unscheinbar daher, dass man ihn gut übersehen kann. Es ist eine fast kreisrunde Fläche noch im Hang oberhalb des Bachbettes des Breitenbachs. Diese unscheinbare Fläche wäre noch vor wenigen Jahren übersehen worden, aber seit einigen Jahren gibt es eine „neue“ Technik, die Geländeformen auch in Wäldern sichtbar macht. Airborne Laser Scan oder Lidar-Technik.
LiDAR-Scans (Light Detection and Ranging, Airborne Laser Scan) Sie erlaubt eine Darstellung der Bodenoberfläche unter Herausrechnung der Vegetation und der modernen Bebauung.
Auf den Lidarscansaufnahmen dieses Geländestreifens findet man nun diese Anomalie. Hier sehen wir den Ausschnitt mit dem gerade vorher erwähnten Wachposten 10/30 – gut zu erkennen sind beide Turmstellen. Oder hier bei WP 10/29 und hier noch weitere Köhlerplatten.
Schon im Altertum wurde mit Hilfe von Kohlemeilern Holzkohle hergestellt. Holzkohle ist wesentlich leichter als Fällholz und somit einfacher zu transportieren. Darüber hinaus erzeugt Holzkohle eine wesentlich größere Hitze – bis 800°C.
Bis zur Frühen Neuzeit war Holzkohle der einzige Brennstoff, mit dem man die nötige Hitze für die Eisenverhüttung erzeugen konnte.
Die Köhlerei war daher in der frühen Neuzeit ein bedeutender Wirtschaftszweig. Das änderte sich aber.
Seit 1713 begann die Steinkohle die Holzhohle teilweise zu ersetzen. Im Odenwald wurde aber noch lange weitergeköhlert und dann löste der Zweite Weltkrieg eine neue Welle der Nachfrage nach Holzkohle aus.
Damals wurden auch Motorfahrzeuge mit Holz oder Holzkohle angetrieben. Fahrzeuge mit einem sogenannten Holzvergaser waren in der ersten Hälfte des 20. Jh. noch gebräuchlich.
Die Köhlerplatten, die heute im Gelände ausgemacht werden können, stammen in der Regel aus dem ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert.
Heute wird die Köhlerei nur noch aus Traditionsgründen und für einige Spezialanwendungen von Holzkohle betrieben.
Der Prozess, der bei der Herstellung von Holzkohle abläuft, ist die Pyrolyse. Bei großer Hitze aber ohne Sauerstoff werden organische Verbindungen aufgespalten – wichtig: ohne, dass Sauerstoff darankommt, denn sonst würde es nur eine Verbrennung sein. So kann Holz gezielt in Holzkohle umgewandelt werden.
Dabei werden Wasser und alle leicht flüchtigen Bestandteile des Holzes verdampft.
Bei der Pyrolyse oder Verkohlung entsteht nicht nur Holzkohle, sondern auch Nebenprodukte.
· Es entsteht auch noch 30-40 % Holzessig, worin 2% Methanol enthalten sind.
· 10 – 15% des Holzes wird zu Holzteer,
· nochmal 10-15% zu Holzgas
· und immerhin 30-40% werden zu Holzkohle.
Sollte mit der Meilerverkohlung die Teergewinnung verbunden werden, wurden im Boden kleine Gruben angelegt oder es wurde der Boden mit Lehm ausgekleidet und der Teer mittels eines Kanals aus dem Meiler nach außen geführt.
Der Holzessig wurde mit eisernen oder kupfernen Rohren in ein Reservoir geleitet oder es wurden Pechölsteine, sowie gemauerte Hangmeiler errichtet.
Bei der handwerklichen Verkohlung in einem solchen Meiler geht das wertvolle Holzgas meistens verloren. Dadurch wird der Brennwert der Kohle reduziert. Holzgas alleine ist schon ein Brennstoff, mit dem früher Lokomobile, LKW und PKW´s angetrieben wurden. Die ehemalige Brauerei Dörr hatte z.B. noch einen Laster mit Holzvergaser.
Holzteer und Holzessig sind schon bei den Ägyptern zum Einbalsamieren der Mumien verwendet worden. Holzteer wurde als Klebemittel und als Konservierungsmittel genutzt. Holzteer und Pech sind die ältesten Kunststoffe der Welt. Die Raubfahrten der Wikinger auf See nahmen richtig Schwung auf, als man die Herstellung von Teer und Pech verbessert hatte. Holzteer wurde im Schiffbau beim Kalfatern (Abdichten der Holzplanken etc. indem man die Zwischenräume mit Baumwolle verfüllt hat, diese verdichtet und dann mit Holzteer verschlossen hat), beim Haltbarmachen von Tauen, Holz, Leder und Textilien verwendet. Holzteer wurde aber auch zum Desinfizieren beim Hufschmied oder beim Klauenschneiden verwendet.
Holzteer war der einzige Stoff, der schon ganz früh bei der Verkohlung gewonnen werden konnte. Die anderen Stoffe wie Holzgas, Holzessig und Holzgeist gingen in einem normalen Kohlemeiler meistens verloren, wenn man nicht extra dafür Auffangvorrichtungen angelegt hat.
Auch Holzessig fällt bei der Verkohlung an. Acetum lignorum ist die Flüssigkeit, die bei der trocknen Destillation von Holz entsteht und die hauptsächlich aus Essig besteht - auch Schwelwasser genannt. Holzessig wird als fäulnishemmendes Anstrichmittel verwendet und auch als Insektizid. Man kann damit Taue und Holz konservieren. Es wird auch bei der Veterinärmedizin eingesetzt bei Maul- und Klauenseuche, bei Räude und Krätze und wird äußerlich auf Wunden aufgetragen. Druckereien verwendeten Holzessig zur Herstellung bestimmter Farben.
Ein weiteres Produkt der Verkohlung ist der Holzgeist oder besser Methanol genannt. Der Alkohol der bei der Verkohlung entsteht, würde beim Verzehr blind machen, aber er ist ein wichtiger Grundstoff für viele industrielle Prozesse.
Während Holzessig und Holzteer bei der Verkohlung gezielt abgefüllt werden konnten, indem man spezielle Rohre zu einem Tank für den Holzessig leitete und Rinnen für das Sammeln des Teers anlegte, war das Methanol wie das Holzgas nur mit großem Aufwand zu gewinnen und konnte nur unter Laborbedingungen abgeschöpft werden. Die handwerkliche traditionelle Köhlerei konnte diese beiden Stoffe nur selten gezielt herstellen.
Als erstes wird der Meilerplatz ausgewählt – er soll möglichst nahe an einem Gewässer liegen zum späteren Löschen und der Platz sollte wenig Erdarbeiten erforderlich machen – es wird eine möglichst plane ebene Fläche ohne Neigung ausgesucht oder der Platz wird in dieser Form hergerichtet.
Dann wurde das Holzlager errichtet. Heute verwendet man Buchenholz, das 1 Jahr gelagert sein muss – früher war man sicher nicht so wählerisch.
Vom späteren Meiler selbst wird als erstes der Quandel oder die Fülle errichtet. Aus drei oder vier langen Holzstangen wird mit Hilfe eines Eisenrings eine Art Schlot gezimmert. Der Quandel stellt das Zentrum des Meilers dar.
Dann werden rund um den Quandel in zwei Etagen die Hölzer angeordnet.
Der Meilerkopf stellt den kegelförmigen Abschluss des Meilers dar, wobei der Schacht exakt eingekleidet sein muss.
Im nächsten Schritt erhält der Meiler eine luftdichte Decke aus Tannenästen und Laub, Gras oder Moos. Dann kam eine Schicht aus Erde und zum Abschluss eine Mischung aus Kohleasche und Erde.
Oft erhielten die Meiler zum Anschluss ein Stützgerüst aus Rundhölzern und Brettern.
Damit sich die Decke luftdicht schließt, wurde der fertige Meiler mit Wasser begossen. Es durfte auf keinen Fall Luft eindringen.
Der Bau des Meilers nahm 8 Tage in Anspruch.
Nach Fertigstellung wurde der Meiler durch das Quandelloch entfacht und in Gang gebracht.
Damit der Meiler funktioniert, wurden am Boden des Meilers Zuglöcher eingestochen und am Meiler selbst werden Rauchlöcher gestochen. Ab nun muss der Meiler ständig gefüttert werden – neue Glut muss in den Quandelschacht hineingeworfen werden und die Zuglöcher sowie die Rauchabzüge müssen ständig kontrolliert werden – auch nachts.
Im Meiler darf das Holz nicht brennen, sondern nur verkohlen. Durch die kleinen Luftlöcher wird so viel Luft hereingelassen, dass kein Feuer entstehen kann.
Der Meiler muss permanent dicht gehalten werden und wird deshalb auch von außen mit Wasser begossen.
Der dichte weiße Rauch, der aus den Rauchlöchern steigt, ist Wasserdampf. Die Hitze im Meiler lässt das Wasser und alle flüssigen Bestandteile im Holz verdampfen - und der Dampf muss entweichen – ebenso das Holzgas. Wenn der Dampf das nicht kann, weil die Rauchlöcher nicht ausreichend offen sind, kann es zu einer Meilerexplosion, z.B. durch Holzgasverpuffung kommen.
Der Meiler verliert Masse und die Köhler müssen nun von oben nach unten den Meiler herunter treten, damit keine Hohlräume entstehen, die einstürzen können und Luft eintreten könnte.
Der Köhler muss nun die folgenden Tage aufpassen, dass der Meiler nicht erlischt, aber auch, dass er nicht durch zu viel Luftzufuhr abbrennt. Dazu bohrt und verschließt er die Zuglöcher. An der Farbe und Geruch des Rauchs sieht man, ob zu viel oder zu wenig Luftzufuhr herrscht.
· Ist der Rauch weiß und dicht ist das Holz noch nicht verkohlt.
· Ist er hell, fast durchsichtig und langsam bläulich ist das Holz verkohlt.
Die Zuglöcher werden von oben nach unten verlagert, um das Feuer auch in die unteren Bereiche des Meilers zu ziehen. Bei jeder Verlagerung der Zuglöcher wiederholt sich der der komplette Prozess, der Meiler verkohlt von oben nach unten.
Ist die Verkohlung abgeschlossen, wird das Feuer im Meiler durch das Verstopfen der Luftlöcher schnell erstickt und der Meiler muss auszukühlen.
Wenn die Abdeckung geöffnet wurde, wird die Kohle herausgezogen und zum Abkühlen ausgebreitet. Jetzt ist höchste Aufmerksamkeit angesagt, denn es müssen alle Glutnester erstickt werden, der Meiler wird gelöscht. Wenn die Kohle sich jetzt entzündet, brennt alles komplett ab. Das Feuer wäre so heiß, dass sich niemand dem Meiler nähern könnte.
Die Kohle muss nun min. 12 Stunden auskühlen.
Hier noch mal der ganze Prozess im Schnelldurchlauf
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Für einen Meiler wie auf den Bildern hier zu sehen wurden 80 Raummeter Buchenholz verarbeitet. Ein Raummeter Buchenholz hat ca. 528 kg, womit 80 RM 42.240 kg, also 42 Tonnen wiegen. Aus 100 kg Hartholz können ca. 30 kg Holzkohle gewonnen werden.
Folie Abtransport der Kohle: Von den 42 t Hartholz bleiben 12,6 t Holzkohle übrig.
Die Köhlerei war nicht ohne Tücken.
Wenn ein Meiler ausging, war es sehr mühsam, den Meiler wieder in Gang zu bringen.
Aber wenn die Wände des Meilers nicht dicht waren und Luft eindrang, war die Gefahr des Abbrennens des Meilers gegeben. Wenn ein Meiler Feuer gefangen hatte, war das Abbrennen nicht mehr aufzuhalten. Die Temperaturen von bis 500°C machten es unmöglich für den Köhler, den Brand zu löschen. Man ließ den Meiler dann einfach brennen.
Der hohe Bedarf an Holz zur Herstellung von Holzkohle stellte eine Herausforderung für die Wälder dar. Das Aufforsten der Wälder war nicht überall üblich. Allein zwischen Würzberg und Hesselbach gab es mindestens 27 Köhlerplätze – die alle mit einem enormen Holzbedarf verbunden waren. Auch wenn die ersten Samenstationen schon im 15. Jh. in Nürnberg entstanden, so hat sich der neue Trend nur langsam herumgesprochen. Der Odenwald war in der Mitte des 18. Jh. nahezu waldfrei. Besonders die Buchenbestände gingen rapide zurück. Neu aufgeforstete Wälder bestanden vorwiegend aus Kiefern, Fichten und Tannen – schnellwachsendes Nadelholz.
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Der Wald war ein Wirtschaftsfaktor für die Menschen, und obwohl er für viele die Lebensgrundlage darstellte, war der Umgang mit ihm zuweilen recht sorglos.
Wenn man von der Köhlerplatte nur 150 m nach Norden geht, wartet versteckt im Unterholz der „Breite Stein“ auf denjenigen, der weiß, dass er da liegt. Zufällig findet man den Stein nicht.
Auf der nördlichen Seite befindet sich das A für Amorbach zusammen mit dem Mainzer Rad – das ist ein Hinweis auf die Gemarkung der Stadt Amorbach, die seit 1272 zu Mainz gehörte.
Auf der südlichen Seite befindet sich Amorbacher Abtsstab.
Dazwischen befinden sich 3 Kreuze, die den genauen Verlauf der Grenze angeben.
Die Vorderkante ziert ein B für Breitenbuch.
Die Datierung dieses Steins kann nicht eindeutig vorgenommen werden. Auf einer Karte aus dem FL Archiv aus dem Jahr 1729 ist der Stein beschrieben, doch sein Alter dürfte höher sein. Vermutlich wurde er in der gleichen Zeit „gezeichnet“ wie die 1481er-Steine in der unmittelbaren Umgebung gesetzt wurden. Auch auf diesen findet man den Amorbacher Abtsstab. Auf der Rückseite ist ein B für Breitenbuch zu finden – analog zur Grenze, die der Breite Stein anzeigt.
Der Stein wurde mehrfach in der einschlägigen Literatur beschrieben, wie hier:
Beiträge zur Erforschung des Odenwaldes und seiner Randlandschaften, Band IV, Breuberg 1986, S . 498 ff, Abb. 86, Paul Ehrig.
Wenn man aber ehrlich ist, ist aufgrund des Bildes und der Beschreibung der Stein nur schwer aufzufinden.
Nur ein paar Meter weiter befindet sich ein weiterer Grenzstein: er ist auf der einen Seite mit dem Amorbacher Abtsstab und auf der anderen Seite mit einem B für Breitenbuch gezeichnet. Dieser Stein verrät uns wenigstens sein genaues Alter: 1481 und mindestens aus dieser Zeit stammt auch der „Breite Stein“.
Mit der Grenze zu Amorbach haben wir nun einen Bereich betreten, der nicht erst 200-300 Jahre alt ist, wie etwa die Köhlerplatte, oder 1000 Jahre wie der Trapezsarg. Diese Grenze gehört zu Einflussbereich der Abtei Amorbach und der geht zurück bis in das 8. Jahrhundert.
Wer hatte damals im Odenwald die Kontrolle?
Nördlich der Mark Michelstadt lag Umstadt – Munitat in der Grenzbeschreibung genannt und seit 766 zum Kloster Fulda gehörig. Die Mark Michelstadt endete am Zuständigkeitsbereich von Kloster Höchst und Breuberg, die damals zu Fulda gehörten. Das Kloster Fulda wurde 744 gegründet und ist seitdem im Norden des Odenwaldes Grundbesitzer neben vielen Allodialherren.
Im Westen des Odenwaldes ist seit 764 das Reichskloster Lorsch eine Größe, mit der gerechnet werden muss und das auch im zentralen Odenwald enormen Einfluss hatte.
Die östliche Grenze der Mark Michelstadt ist festgelegt durch das Territorium der Abtei Amorbach, die auch älteste Nachbar ist (721 – 741).
Das genaue Gründungsdatum der Abtei Amorbach ist unbekannt, liegt aber sicher zwischen 721 und 741 – denn Karl Martell ist maßgeblich beteiligt an der Gründung Amorbachs. Aber er hat nicht alleine agiert, er hatte Vertrauensmänner, die in seinem Namen das Land zu verwalten halfen.
Aber womit haben wir es in der Zeit um 800 überhaupt zu tun.
Nach dem Abzug der Römer lag der Odenwald im Alemannischen Bereich und wurde 502 von Chlodwig in den Herrschaftsbereich des Merowingerreiches und dem fränkischen Gebiet hinzugefügt. Die Ablösung des Merowingischen Königtums durch das der Karolinger vollzog sich im Odenwald vermutlich ohne einschneidende Veränderungen. Der Odenwald gehörte nicht zu den Neuerwerbungen, die Karl der Große gemacht hat, sondern war schon immer Teil des Kernlandes des Karolingerreiches [i]
Schon während das Merowingerreich zerfiel, wurden im 8. Jh. von den fränkischen Hausmeiern, vor allem aber von Karl Martell, die Weichen für ein noch größeres Projekt gestellt. Dazu gehörte auch die planvolle Anlage von Klöstern im ganzen Reich. Der Odenwald war durch drei Klostergründungen maßgeblich beeinflusst worden: Kloster Amorbach 721 – 741, Kloster Fulda 744 und Kloster Lorsch 764[ii].
Schon in merowingischer Zeit wurde der karolingische Generalplan gestartet, der über drei und mehr Generationen konsequent das Ziel eines großen fränkischen Reichs verfolgte. Unter König Karl, den wir später den Großen nennen, wurde der Plan vollendet ein christliches Kaiserreich der Franken zu errichten. Mit der Karolingischen Renaissance - eine Bildungsreform - wurden die Strukturen geschaffen, um dieses große Reich zu regieren. Das technische Personal vor Ort waren die Geistlichkeit als Betreiber der Klöster und der Schulen - und die Grafen als Vertreter des Königs.
Darunter sind zwei Personen gerade für den Odenwald von großer Bedeutung: es sind die Grafen Ruthard und Warin[iii], die zur Zeit Karl Martells die sogenannten Administratoren Alemanniens[iv] waren. Für unseren speziellen Ausschnitt hier ist Graf Ruthard von Interesse. Wie finden wir aber jemanden wie ihn in 1200 Jahre alten Dokumenten.
Die Personen, die im Odenwald aktiv waren, finden wir in Urkunden, Stiftungs- oder Schenkungsbriefen. Die Bevölkerungsdichte war damals sehr viel geringer und in der gehobenen Schicht wurde die Luft richtig dünn. Deshalb gilt die Regel, wenn Namen mehrfach auftreten, gehören sie vermutlich zur gleichen Familie oder es ist sogar dieselbe Person. Verwandten Namen sind ein Hinweis auf Familienzugehörigkeit. Wenn auf Urkunden Personen als Zeuge auftreten, testieren, dann handelt sich um Vertraute des Stifters der Urkunde – und auf diesem Weg offenbaren sich Beziehung zwischen Personen und Familien.
Vieles deutet darauf hin, dass dieser Graf Ruthard, der für Karl Martell und dessen Sohn Pippin Alemannien administrierte, auch die Abtei Amorbach auf Geheiß Karl Martells hin zwischen 721 + 741 gründete – nicht aus spirituellen, sondern aus rein strategischen Gründen .
Ruthard „vom Frankenberg“ stiftete auch die Klöster Gengenbach, Schwarzach und Arnulfsau. Ruthard gilt als Stammvater der Welfen, und somit unter anderem auch des späteren englischen Königshauses Hannover – die letzte geborene „Hannover“ auf dem engl. Thron war Königin Victoria – übrigens gezeugt in Amorbach.
Aus der „Chronik des Klosters Amorbach aus dem Jahr 1736“ von Ignatius Gropp geht hervor, dass die ersten 9 Äbte von Amorbach auch Bischöfe von Verden (734 – 840) in Sachsen waren – d.h. die Sachsenmission wurde von Amorbach aus betrieben. Das geschah auf königlichen Wunsch und bestätigt die Rolle des Klosters Amorbach für den karolingischen Masterplan.
Im 8. Jahrhundert herrschten im Odenwald mächtige Kräfte der karolingischen Reichspolitik – und wir stehen quasi genau im Brennpunkt.
Michelstadt befindet sich in einem empfindlichen Spannungsfeld, in dem politisch strategische Erwägungen die Gründe sind, wann und an wen Land vergeben wurde.
Der Odenwald und die Mark Michelstadt gehörte nicht zu den Neuerwerbungen unter Karl dem Großen, es war schon immer erst merowingisches und dann karolingisches Kron- und Kernland.
Dr. Thomas Ludwig schreibt in dem sehr schönen Prachtband über die Einhardsbasilika, dass man nicht weiß, wem Michelstadt vor Einhard gehört hat – oder wie Ludwig der Fromme überhaupt in den Besitz von Michelstadt gekommen ist. Das ist nicht korrekt – Michelstadt war schon immer im Besitz der Krone und die legte großen Wert darauf, dass das so blieb. Und hier tun wir es in unserem Selbstverständnis den Amorbachern gleich: Wir waren vielleicht noch nie wirklich groß, aber wichtig waren wir schon immer!!!
Wie wichtig, das belegt auch der nächste Punkt unserer Wanderung.
Ausgehend von den Amorbacher Grenzsteinen geht es erst ein Stück nach Osten – hier müssen wir ein bisschen kreativ sein, um den Zaun zu überwinden… - keine Angst, ich habe eine relativ gefahrlose Variante entdeckt, hier hindurch zu kommen.
Dann geht es ca. 800 m nach Norden zu den sogenannten „Drei Seen“, von denen heute nur noch zwei zu finden sind. Der Dritte ist schon vor Jahrzehnten verlandet.
Ursprünglich waren die Seen nicht geteilt, sondern nur ein See und der gehörte den Herren von Dürn, die ihn zusammen mit ihren Rechten im Jahr 1498 an den Abt Johannes von Amorbach verkauften. Noch 1668 ist auf einer Karte der unzerteilte See zu erkennen. Dieser See ist nicht historisch wichtig, sondern fand auch Einzug in eines der wichtigsten Werke der älteren deutschen Literatur: Wolfram von Eschenbach verarbeitet ihn in seinem Parzival – und zwar an sehr prominenter Stelle.
Ein paar Worte zu dem Dichter, mit dessen Anwesenheit und Werk wir hier Ansehen wuchern wollen:
Wolfram von Eschenbach stammt aus Wolframs-Eschenbach, dass sich seit 1917 nach dem Dichter nennt anstatt Obereschenbach.
Wolfram tat an mehreren Höfen Dienst, dazu gehörten die Grafen von Wertheim und die Edelfreien von Dürn [v].[vi].
Was hat es mit Eschenbach und dem Odenwald auf sich und was ist überhaupt dran an dieser Behauptung?
Viele von Ihnen waren schon mit mir auf der Wildenburg – sie ist der Schlüssel zu diesem Thema.
Zwischen Kirchzell und Preunschen gelegen ist sie eine der eindrucksvollsten Burganlagen des Odenwaldes. Es ist die Burg Wildenberg. Sie ist keineswegs die größte und auch sicher nicht die besterhaltenste Burg des Odenwalds – ganz im Gegenteil ist sie nur als Ruine erhalten. Aber sie ist eine der größten Stauferburgen, die je auf deutschem Boden gebaut wurden, deren Erbauer kein König oder Kaiser war.
Die Burg Wildenberg wurde schon bald nach 1168 von den Edelherren von Durn erbaut. Ruprecht von Durn erscheint auf 150 kaiserlichen Urkunden[vii] als Zeuge, er gehört zum engsten Gefolge des Kaisers. Dieser Ruprecht ist es, dessen Name auf dem Torgewandstein[viii] auf der Innenseite des großen Eingangstores auf der Südseite der Burg steht – Diese Burhc mahte Her Rubreht von Durn. [ix] [x]
Die Herren von Durn waren die vom Kaiser eingesetzten Vögte des Klosters Amorbach und standen mindestens seit dem 12. Jh. in den Diensten der Kaiser.[xi] [xii]
Sie hatten eine enge Bindung an das staufische Kaiserhaus und stiegen mit ihnen auf, aber sie gingen auch mit den Staufern nach 1254 unter. [xiii]
Burg Wildenberg wurde danach Burgmannensitz des Erzbischofs von Mainz für Amorbach.
Nach mehrere Erdbeben und einigen Umbauten hatte sich das ehemalige Zentrum höfischer Kultur nun in einen Verwaltungssitz verwandelt. Trotzdem war die Wildenburg noch lange ein strategisch wichtiger Posten.
Als am 04. Mai 1525 die hellen Horden des Götz von Berlichingen die Wildenburg niederbrannten, war das der Anfang vom Ende.
Die Wildenburg wurde bald darauf endgültig verlassen und vergessen.
Erst als die Leininger die Fürsten zu Amorbach wurden, wurde dem Erhalt der Burg Wildenberg wieder mehr Zeit, Geld und Muße gewidmet.[xiv]
Doch die Verluste der letzten 4 Jahrhunderte können nicht mehr gut gemacht werden.
Umso wichtiger erscheint es, hier auf ein Kapitel aus der Frühzeit der Burg einzugehen, das bis heute nichts an seiner Bedeutung verloren hat.
Das mittelhochdeutsche Epos Parzival von Wolfram von Eschenbach wurde um 1200 herum verfasst. Es war das am meisten zitierte Schriftstück des 13. Jh und des Mittelalters überhaupt. Mindestens 80 Handschriften und Fragmente dieses Werkes sind erhalten – wieviele Kopien tatsächlich angefertigt wurden ist unbekannt. Zum Vergleich: vom Nibelungenlied sind 35 Handschriften und Fragmente bekannt. Die Wirkungsgeschichte bis heute ist einzigartig, einige Literaturwissenschaftler wie z.B. Joachim Bunke sprechen von einer literarischen Sensation.[xv] [xvi]
Im Parzival werden sämtlich Bereiche verarbeitet, die in der Dichtung des Hochmittelalters relevant sind. Dabei wendet er literarische Kniffe an, die bis dahin sehr unüblich waren, z.B: seine Autoren-Kommentare aus dem off.
Wolframs Parzival ist keine reine Neuschöpfung. Als Hauptquelle gilt allgemein Li contes del graal von Chretien de Troyes, der vor der Fertigstellung verstarb. Der 5. Band seiner Artus-Epik blieb als unvollendetes Fragment im Besitz seines Gönners und Auftraggebers Graf Philipp von Flandern.
Zur Sache: Wie kommen wir darauf, dass die Gralsburg in Wolframs Parzival die Wildenburg sei?
Ein Dichter des Mittelalters brauchte einen reichen Mäzen an dessen Hof er sein Wirken entfalten konnte.
Im IV. Buch des Parzival schreibt Wolfram[xviii]: Min her der graf von wertheim. Familienmitglieder der Eschenbachs tauchen noch im 14. Jahrhundert in den Steuerlisten der Grafen zu Wertheim auf, wie in dieser Steuerliste aus dem Jahr 1350, die den Namen Eschenbach allein dreimal aufführt.
Wolfram von Eschenbach war Lehensmann des Grafen zu Wertheim, und hatte so Beziehungen zum Odenwald-Spessart-Gebiet.
Die Grafen von Wertheim gehörten wie die Herren von Dürn zum Gefolge der Stauferkaiser, genau wie auch der Förderer des Chretiens von Troyes, Philipp von Flandern. Die drei kannten sich sehr gut, und traten mehrfach zusammen als Zeugen auf kaiserlichen Urkunden auf. Zur Vollendung des Gralsepos könnten die drei Adeligen zusammen gearbeitet haben. Philipp übergab das unfertige Manuskript des Chretien de Troyes an Ruprecht, Boppo beurlaubte seinen Lehnsmann Wolfram und Ruprecht verschaffte ihm auf seiner Burg das nötige Umfeld sowie die nötigen Helfer bei der Übersetzung aus dem Französischen, falls nötig.[xix]
Aber warum die Wildenburg und nicht Wertheim oder ein anderer Hof?
Die Hinweise für unsere These finden sich vor allem im Text von Eschenbach.
Wolfram nennt die Gralsburg im Parzival Munsalvaesche. In der Vorlage von Chretiens de Troyes kommt dieser Name nicht vor, es ist also eine eigene Kreation von Wolfram. Die Sprache, die Wolfram verwendet ist teilweise eine Art Lautschrift, die bei lautem Aussprechen ihren Ursprung aus dem Französischen offenbart. Und dann wird aus Munsalvaesche eben Mont sauvage – Wilder Berg.
Den nächsten Hinweis gibt uns Wolfram, als Parzival die Gralsburg durch die Zugbrücke betritt, beschreibt den Innenhof als auffallend weit und breit mit unzertretenen Gras: In die Burc der kuene reit – auf ein Hof wit unde breit. Der Innenhof der Burg Wildenberg wurde erst im 15. Jahrhundert mit dieser Mauer zerteilt, die das Wappen der Mainzer Erzbischofs Dietrich von Erbach zeigt. Davor war der Innenhof tatsächlich eine riesige freie Fläche.
Der wohl wichtigste Hinweis überhaupt wird von Wolfram direkt im Text vorgenommen, dass er den Palas der Burg mit seinen Einrichtungen beschreibt: Solch gewaltige Feuerbrände, noch dazu von so kostbarem Holz, hat man selbst hier zu Wildenberg nie gesehen: Buch V, 230, Zeile 12-14
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sach niemand hier ze Wildenberc
jenz waren kostenlichiu werc
Im Text werden zuvor 3 riesige, viereckige Marmorkamine beschrieben und dann sagt Wolfram, dass solche Feuer auch „hier zu Wildenberg“ niemand je sah, wo man sich mit großen Feuern ja auskennt - der große Kamin der Burg Wildenberg ist eines der herausragendsten Merkmale der Burg. Damit sagt der Dichter, dass er sich hier auf Wildenberg befindet, während er diesen Text schreibt. Es heißt „hier zu Wildenberg“ und nicht „zu Wildenberg“ oder „dort zu Wildenberg“. Die Literaturwissenschaftler sind an dieser Stelle einig, dass hier die Burg Wildenberg im Odenwald gemeint ist.
Parzival trifft immer wieder an Wendepunkten seines Lebens seine Kusine Sigune. So auch eineinhalb Stunden von Munsalvasche entfernt in einer einsam gelegenen Zelle, aus der schnelles Wasser hervortritt, (435,6 ff):
Da „entdeckte er eine Klause, neu erbaut; ein munteres Bächlein lief durch sie hindurch, denn sie war über ihm erbaut.“
Alda sin ougen vunden /ein clousen niuwes buwes sten / da durch ein snellen brunnen gen /einhalp si drüber was geworht.
Das ist Amorsbrunn, das nicht nur die Keimzelle der Abtei Amorbach ist, sondern auch ein altes Quellheiligtum beinhaltet, über dem tatsächlich bis ins 18. Jh. eine Klausnerei bestand. Die Quelle entspringt in der Kirche und wird nach draußen geleitet.
Der nächste Hinweis offenbart sich ebenfalls nur dem, der die Gralsburg längst als die Burg Wildenberg entlarvt hat.
König Anfortas hatte sich jugendlicher Kämpfer in leidenschaftlicher Liebe einer edlen Frau verschrieben und in ihrem Dienst kämpfte er tapfer. Sein Kampfruf war „Amor“ (478,14.15) „Amor was sin cri“ gewesen, um seine Liebe zu ehren. Warum verwendet Wolfram hier einen lateinischen Ausdruck, wo er das ansonsten vermeidet. Er hätte auch „Liebe“ verwenden können – dieser Hinweis zündet nur dann, wenn die Gralsburg die Wildenburg ist – denn Amorbach lag nur anderthalb Wegstunden von der Wildenburg entfernt, Ruprecht von Durne und seine Nachfolger hatten die Vogtei über die Abtei inne.
Der kryptischste Hinweis ist wohl ein Inschriftstein im Palas, der der Erbauungszeit zugeordnet wird. In der südgerichteten Wand des Palas befindet sich die Inschrift links neben dem Fenster: OWE MUTER.[xx] Versuche, aus den Buchstaben Frowe Muter zu basteln sind mittlerweile aufgegeben worden, genauso wie darin eine Volksform von Ave Maria - der Gottesmutter zu suchen. Unter Berücksichtigung der vielen Hinweise auf Wolframs Anwesenheit und Wirken auf der Wildenburg und der Tatsache, dass Owe Muter was ist got das zentrale Motiv des ganzen Epos ist, wäre es ein mehr großer Zufall, wenn diese Buchstaben sich hier rein zufällig eingefunden hätten. Viel wahrscheinlicher ist da, dass es sich hierbei wirklich um eine Art Wahlspruch des Burgherren handelt. Dem Erbauer dieser Burg und Gönner des Wolfram von Eschenbach und Liebling des Kaisers ist es auf jeden Fall zuzutrauen, sich die Schicksalsfrage seines Jahrhunderts auf diese Weise gegenwärtig zu halten.
Und wo kommt nun der See vor?
Obwohl die Gralsburg märchenhaft überzeichnet ist, haben wir schon einige Hinweise auf die Odenwälder Heimat derselben gefunden. Einer der Schlüsselmomente ist das erste Zusammentreffen Parzivals mit dem Gralskönig Anfortas. Das findet an einem See statt, weshalb Parzival ihn für einen Fischer hält. Anfortas zeigt ihm den Weg nach Munsalvaesche. Diese See heißt bei Wolfram Brumbane[xxii], in Wirklichkeit liegt er zwischen Breitenbuch und Breitenbach – Brääbuch und Brääbach im Volksmund. Die Ähnlichkeit ist offensichtlich, zumal auch die Wegbeschreibung der vom Breitenbucher See zur Wildenburg gleicht.
225,1: Am Abend gelangte Parzival an einen See, wo Fischer in einem Boot vor Anker lagen, ihnen gehörte der See.
Parzival fragte einen Mann in prächtiger Kleidung, wo in der Nähe er eine Herberge finden könnte.
225,19: „Herr, meines Wissens sind Land und Gewässer im Umkreis von 30 Meilen völlig menschenleer, abgesehen von einer Burg in der Nähe, zu der ich euch guten Gewissens weisen kann. Wohin sonst wollt ihr hin zu dieser Tageszeit?….
226,12:…Parzival brach auf und erreichte den Burggraben. Die Brücke war hochgezogen und die vortrefflich befestigte Burg dahinter stand da wie gemeißelt. Sturmangriffe brauchte sie nicht zu fürchten
Die Burg der Dürns hat nicht überlebt, sie wurde von Erdbeben, marodierenden Bauern, steinestehlenden Nachbarn zu der Ruine reduziert, die wir heute noch auf dem Schlossberg finden. Die Dichtung des Wolfram von Eschenbach allerdings hat mittlerweile 800 Jahre überdauert.
Wolfram hat den Parzival auf der Wildenburg geschrieben, das wurde lange kontrovers aber wohlwollend diskutiert und wurde zur allgemeinen Lehrmeinung. Während des „Dritten Reichs“ wurde dieses Thema deutlich überhöht, die Burg wurde zur Weihestätte des deutschen Geistes erklärt und Hitler hat persönlich eine Spende von 15.000 Reichsmark zum Erhalt getätigt. Nach dem zweiten Weltkrieg war die Idee politisch unkorrekt und wer was auf sich hielt, versuchte zu widerlegen, dass die Wildenburg die Gralsburg des Parzival sei.
Ergebnis ist bis heute: die Beweise dafür, dass die Wildenburg die Gralsburg ist, befinden sich bis auf einen im Text selbst und man kann sie daher leicht als Phantasie des Autors abtun. Doch ist es nicht üblich, dass Autoren in ihren Werken Bezüge zur Realität vornehmen. Wie viele Leute sind mit Dan Browns DaVinci-Code durch Rom gerannt?
Letztlich wird auch diese Frage zur Glaubenssache – wie die Gralssuche selbst. Ich aber meine, wenn man alle Indizien zusammenzählt, so besteht mehr als ein begründeter Anfangsverdacht, dass Wolfram auf der Wildenburg war und dieser See hier der Ort des ersten Zusammentreffens Parzivals mit dem Gralskönig Anfortas ist.
Meine lieben Damen und Herren, das war nun die Wanderung durch ein kleines Waldstück zwischen Würzberg und Hesselbach.
Auf einem Rundweg von 4,5 km haben wir – mal wieder – eine römische Fundstelle besucht, die in diesem Fall mit einigen Besonderheiten aufwarten kann.
Die Trapezsärge sind nicht etwa Zeichen einer Grablege, sondern 1000 Jahre alte Zeugen der odenwälder Sandsteinindustrie – und echte Exportschlager.
Die Köhlerplatte kommt unscheinbar daher – geeignet übersehen zu werden. Doch einst hat die Köhlerei ganze Landschaften geformt.
Die Grenzsteine in unmittelbarer Nähe sind Hinweise auf einst mächtige Nachbarn und auf die große Bedeutung des Odenwaldes in karolingischer Zeit und
Mit Wolfram von Eschenbach und seinem Parzival ziehen wir sogar in die Weltliteratur ein.
Allein auf diesem Rundweg von 4,5 km mit dem wir nur eine Fläche von 1,6 km2 abdecken, zeigt sich mal wieder, dass Geschichte überall lauert, entdeckt zu werden. Und für Michelstadt und den Odenwald bestätigte sich einmal mehr: Wir waren vielleicht noch nie wirklich groß, aber wichtig waren wir schon immer!!!
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit
[1] Aus Wikipedia Kastell Würzberg: https://de.wikipedia.org/wiki/Kastell_W%C3%BCrzberg
[2] Der Odenwald 1961, Heft 1, Gotthilde Güterbock: Frühmittelalterliche Trapezsärge aus dem Odenwald.
[3] Gotthilde Güterbock, Trapezsärge – Schutzwürdige Flurfenkmäler, in: Der Odenwald 1981 Heft 4, S. 132.
[4] Diese Stelle kommt von allen Nibelungen-Handschriften nur in der Handschrift C so vor: Damit ist nicht unbedingt ein langer Sarg gemeint, das kann auch ein Schrein sein. In den anderen Handschriften a und k
[5] Die Deckplatte war 1753 laut den Aufzeichnungen noch vorhanden, ist aber dann leider verloren gegangen. Der Sarkophag enthielt zwei gegensätzlich gelagerte Leichname, deren Identität unbekannt ist.
[6] Dort wurden auch Särge aus grauem Sandstein gefunden, die aus der Gegend um die Deutsch-Holländischen Grenze stammten, aber den Import der roten Odenwälder Sarkophage nicht stoppen konnten.
Heiner Heimberger, Badische Heimat Nr. 36, Frühmittelalterliche Trapezsärge aus dem Odenwald, 1956, H. Martin, Vroeg-Middeleeuwsche zandstenen Sacophagen in Friesland en elders in Nederland, Herbst 1956. Die Odenwälder Särge sind bis in die Niederlande transportiert worden. Sie wurden in Utrecht, Nordholland in Drente und vor allem in Friesland (Groningen) nachgewiesen. Beim Bau des Wieringer-Meer-Polders in den 1950er Jahren wurden über 120 steinerne Sarkophage gefunden, deren geologische Übereinstimmung mit dem Odenwälder Sandstein bewiesen wurde.
[7] Heiner Heimberger, Badische Heimat Nr. 36, Frühmittelalterliche Trapezsärge aus dem Odenwald, 1956.
[8] Heiner Heimberger, Badische Heimat Nr. 36, Frühmittelalterliche Trapezsärge aus dem Odenwald, 1956
[9] Heimberger: Die in Amorbach gefundenen Steinsärge enthielten meistens die Gebeine mehrerer Toten, ohne Beigaben.
[10] Heiner Heimberger, Badische Heimat Nr. 36, Frühmittelalterliche Trapezsärge aus dem Odenwald, 1956: Eines der Standardwerke zu den Trapezsärgen aus dem Odenwald stammt von Heiner Heimberger aus dem Jahr 1956. Darin hat Heimberger die Amorbacher Särge ans Ende der Steinsarg-Zeit datiert. Die Steinsarg-Zeit begann in Deutschland mit der Einführung des Christentums und dauerte bis in die Mitte des 14. Jh. an. Allerdings kannte Heimberger 1956 die Särge vor der Michelstädter Stadtkirche nicht, als er seinen Artikel schrieb, weil diese noch nicht ausgegraben waren. Die Michelstädter Särge sind nahezu identisch mit den Amorbacher Särgen und stammen definitiv aus dem 10. oder 11. Jh.Der Holzsarg kam erst in den Städten und da im 17. Jh. auf. Das Landvolk trug seine Toten noch bis ins 18. Jh. noch auf dem Bahrbrett nur in ein Leinentuch gehüllt zum Grabe und ließ diese dann in das Grab hineinrutschen. Verfolgt man die frühmittelalterlichen Trapezsärge zurück, so gibt es eine Häufung rund um Amorbach und Miltenberg. Main- und Rhein abwärts sind gerade frühe Niederlassungen von Benediktinerorden Abnehmer von steinernen Trapezsärgen gewesen wie z.B. Seligenstadt am Main, St. Pantaleon in Köln, Bant in Oldenburg und auch St. Johanni in Nieblum auf Föhr war eine benediktinische Gründung gewesen.
Roter Buntsandstein kommt auch noch in anderen Deutschen Mittelgebirgen vor, doch nirgends wurden Werkplätze gefunden.
[i] Thomas Ludwig, Geschichtliche Überlieferung vor dem Bau der Basilika, in: Die EinhardsBasilika in Steinbach bei Michelstadt im Odenwald, Mainz 1996, S.4
[ii] eine Gründung durch den Rupertiner Graf Cancor – die Rupertiner sind die Vorfahren der Kapetinger – Hugo Capet 987 König von Frankreich
[iii] Wilhelm Störmer, Die Ämter Amorbach und Miltenberg in: Historischer Atlas von Bayern, 1979, S.37 oben: Wilhelm Störmer sieht in den beiden die „Administratoren Allemanniens“
[iv] Wilhelm Störmer, Zur kulturellen und politischen Bedeutung der Abtei Amorbach, in: Die Abtei Amorbach im Odenwald, 1984, S. 11-13, ff bis 17 und Wilhelm Störmer, Die Ämter Amorbach und Miltenberg in: Historischer Atlas von Bayern, 1979, S.30, 36.
[v] und Landgraf Hermann I von Thüringen
[vi] Er selbst stellte sich gerne als Illiteraten dar, doch das war Koketterie, denn er verfügte über hervorragende Kenntnisse der lateinischen und französischen Literatur, sowie der Naturwissenschaften und nahm sogar eine religiöse Reflexion seiner Dichtungen vorDas lateinische Bildungssystem war ihm nicht fremd, auch wenn er gegen das gelehrte Buchwissen stichelte.
[vii] zwischen 1171 und 1196
[viii] Diese Steine waren mit vielen anderen von Graf Franz I. zu Erbach-Erbach zum Schmuck in seiner Eberhardsburg in Eulbach verbaut worden, bis sie 1937 wieder an ihren altn Platz zurück kamen. Die anderen Steine sind die, die auf Seite 138 des Generalkatalogs 6, Tab V, gezeigt werden. Auch diese Steine wurden zurückgegeben und befinden sich heute im Vorraum der Abteikirche Amorbach, dem Wildenbergraum.
[ix] Walter Hotz, Burg Wildenberg im Odenwald, Amorbach 1963, S. 9
[x] Gegenüber steht aber ein zweiter, fast identischer Stein mit der Aufschrift: Dise Burhc mahte Her Burhert Durn - Diese Burg machte Herr Burchert Durn. [x]
Ja was denn nun? Wir kennen diesen Burchert Durn nur von dieser Inschrift, er taucht in sonst keiner Urkunde auf. Er könnte ein Bruder Ruprecht sein und mit ihm gemeinsam die Burg erbaut haben und seinem wahrscheinlich kinderlos verstorbenen Bruder hier ein Denkmal gesetzt haben. [x]
In den Amorbacher Traditionsnotizen taucht nur Ruprecht als Erbauer der Burg auf. Sein Sohn Ulrich und sein Enkel Konrad von Dürn führen die Tradition auf der Burg fort.
[xi] Es waren keine Ministeriale, sondern sie unterstanden dem König oder Kaiser direkt und standen ihm sehr nahe. Das erklärt auch die Handlungsfreiheit der von Dürn im ganzen Raum Amorbach und im Bauland
[xii] Die Wildenburg wird gebaut als Reaktion des Kaisers Friedrich Barbarossa auf den Würzburger Reichstag und der dort verabschiedeten „Güldenen Freiheit“. Der Kaiser hat den Beschwerden mehrerer bischofsnaher Parteien über den Bedrücker der Abtei Amorbach und damit des Bistums Würzburg, den Vogt auf Burg Frankenberg, nachgegeben und die Burg „schleifen lassen“. Dem Bischof von Würzburg wird mit dieser Urkunde die Herzogswürde zugestanden und gleichzeitig Versprechen gegeben, die „geschliffene“ Burg Frankenberg auf dem Gotthard bei Amorbach nicht wieder aufzubauen. Fast zeitgleich wird aber auf der anderen Seite die noch gewaltigere Burg Wildenberg aufgebaut. Barbarossa war mit der Schleifung des Frankenbergs sicher weit hinter seiner Zusage zurückgeblieben, die vermutlich nur abgedeckt wurde. Bisher ging man davon aus, dass mit dieser „Schleifung“ einer Vogtwechsel verbunden war, doch das muss nicht so sein. Der „Bedrücker“ wird nicht namentlich genannt, was ein Hinweis auf kaiserlichen Schutz ist. Es ist denkbar, dass es derselbe Vogt ist, der nun auf der Wildenburg seine neue Burg baut.
[xiii]Auf jeden Fall stehen die Herren von Dürn dem Kaiserhaus sehr nahe und können in ihrem Besitz königliche Regalien ausüben, was Konrad von Dürn 1253 mit der Verleihung der Stadtrechte an Amorbach macht.
Konrad von Durn hat sogar an der missglückten Palastrebellion auf der Seite von König Heinrich (VII) gegen Kaiser Friedrich II teilgenommen. Während die anderen Parteigänger des glücklosen Sohns des Kaisers schwere Verluste hinnehmen mussten, blieb Konrad von Dürn verschont und blieb unbehelligt weiterhin im Besitz seiner Rechtstitel und Güter. Selbst das blieb nicht an ihm haften.
[xiv] Das erste Dekret des Fürsten bezüglich der Wildenburg 1814 soll die unerlaubten Steinabfuhr von der Burg verhindern. Doch schon 1821 hat Graf Franz I. zu Erbach-Erbach eine ganze Ladung geschichtsträchtiger Steine abgeholt, um in Eulbach seine romantische Burgruine Eberhardsburg damit zu ergänzen. Dahinter ist kein gemeiner Raub zu vermuten, vielmehr geschah das einvernehmlich, war doch der erste Fürst zu Leiningen der Vater der ersten Gemahlin des Grafen Franz gewesen. Die damals entführten Steine sind seit 1937 wieder zurück, teils in der Abtei Amorbach und andere in der Burg selbst wieder vermauert.
[xv] Joachim Bunke, Wolfram von Eschenbach, Stuttgart 1981, S. 89
[xvi] Karl Lachmann 1833, Die Einteilung in 16 Bücher wurde erst 1833vorgenommen worden, ist aber bis heute allgemein akzeptiert.
[xvii] Verwendete Handschrift in der PPP: Handschrift cpg339i+iiParzival (Band 1+2) — Hagenau - Werkstatt Diebold Lauber, um 1443-1446
[xviii] in Abschnitt 184, Zeile 4 (Reclam S. 314, Digitalisat S. 290)
[xix] Gotthilde Güterbock, Wolfram von Eschenbach, Wertheim und Wildenburg, in: Der Odenwald, Zeitschrift des Breubergbundes 1967, Heft 1 und Sonderband Wildenburg 2008, S.8. Auch mit gleichem Wortlaut bei Werner Trost, Nibelungen, Musketiere und Tagelöhner, Miltenberg 2012, S. 89.
[xx] Gleich daneben befindet sich eine Meisterinschrift: Bertold murte mich Ulrich hiwe mich. Mit der Anbringung dieser Inschrift wurde die Fertigstellung des Baus bekanntgegeben.
[xxi] Quelle: Staatsarchiv Würzburg, Sign.: Mainzer Risse und Pläne 11
Ampt Amorbach und angrentzende Orth, 1668, in: Der Odenwald Sonderheft 2 „Zur Geschichte der Wildenburg“, Breuberg 2008
[xxii] 225+491